Pflegekräfte werden weltweit heiß umworben: Was für und was gegen Österreich spricht

Sie sind sehr gut ausgebildet, werden sehnlich erwartet und herzlich willkommen geheißen: Unterdessen sucht jedes Bundesland, jeder Träger selbstständig nach Pflegekräften - von Kolumbien bis Indien.

Inge Baldinger & Maria Zimmermann

In Wien sind über ein Projekt der Stadt eben erst fünf Philippinerinnen angekommen, um die Personalnot in Pflegewohnhäusern zu lindern. In den Salzburger Landeskliniken freut man sich auf Anfang April: Da kommen weitere zwölf Fachkräfte aus Kolumbien an. Erst vergangene Woche unterzeichnete das Burgenland die Absichtserklärung, pro Jahr bis zu 50 Pflegekräfte aus Indien anzuwerben - um die Lage zu sondieren, waren Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Bischof Ägidius Zsifkovics jüngst eigens nach Kanjirapally, Partnerdiözese der Burgenländer, gereist. Und Integrationsministerin Susanne Raab tauschte sich am Freitag beim Integrationsservice für Fachkräfte medienwirksam mit Pflegekräften aus Südamerika und Asien aus.

Dass die Zuständigkeiten im Gesundheits- und Pflegewesen kreuz und quer verlaufen, ist bekannt. Selten wird das so augenfällig wie derzeit bei der Anwerbung von Pflegkräften aus aller Welt. Jedes Bundesland, ja jeder Träger geht (etwas) anders vor: Da überlässt man die Rekrutierung gemeinnützigen Vereinen, die für Stadt oder Gemeinde tätig sind; dort arbeitet man mit spezialisierten Agenturen zusammen; hier setzt man auf Hochschulkooperationen, dort auf kirchliche oder private Netzwerke.

Oberösterreich rekrutiert aktuell vorwiegend auf den Philippinen und in Indien. Der Fokus bei den Kliniken und Pflegehäusern des Wiener Gesundheitsverbunds, der bis 2027 rund 600 Pflegekräfte aus den Drittstaaten anwerben will, liegt derzeit auf Indien und Jordanien. Salzburg und Tirol setzen auf Personal aus Kolumbien und künftig auch verstärkt von den Philippinen. Die Steiermark holt Fachkräfte insbesondere aus Bosnien-Herzegowina. Vorarlberg wirbt unter anderem in Tunesien an. Und bei den Kärntner Landekliniken heißt es, man setze auf vorhandenes Personal mit ausländischen Wurzeln, das in ihren Heimatländern Kontakte zu Interessierten herstellt. "Damit hatten wir auch schon Erfolge."

Im Prinzip geht es immer um das Gleiche: Die rekrutierten Kräfte sollen eine universitäre Ausbildung und am besten schon Berufserfahrung haben, jedenfalls sehr gut Englisch und auch schon halbwegs Deutsch können, damit sie sofort eingesetzt werden können. Mit einer Ausnahme: Niederösterreich geht einen anderen Weg.

Er basiert auf einer Kooperation der IMC Fachhochschule Krems und der Hanoi-Universität. Und könnte sich noch als jener mit der größten Integrationskraft herausstellen. 150 junge Vietnamesinnen und Vietnamesen lernen seit vergangenem Jahr Deutsch an der Uni in Hanoi. Zu Pflegekräften ausgebildet werden sie danach in Niederösterreich, womit sie von Anfang an ins österreichische pflegewesen hineinwachsen und hier ihrer Abschlüsse machen können; in einem Jahr sollen die ersten ankommen.

Dieses Pilotprojekt hat zweifellos die längste Vorlaufzeit. Aber auch die Rekrutierung von ausgebildetem Pflegepersonal braucht Zeit. Etwa ein Jahr vergehe von der Anwerbung im Heimatland bis zum Job in Österreich, sagt Josef Missethon von der Agentur Talent & Care, die etwa für die Salzburger, Tiroler und Vorarlberger Spitäler Personal in Kolumbien anwirbt. Die Agentur ist seit 2019 dort aktiv und hat sich, wie Missethon sagt, eine solide Vertrauensbasis aufgebaut. Warum anfangs Misstrauen herrschte? "Aus Erfahrung". Werde ein Job mit gutem Einkommen in einem reichen Land geboten, läuteten die Alarmglocken, weil sofort der Verdacht von Menschenhandel aufkomme. Mit "vielen Gesprächen, Hintergrundinformationen" und der Verbindung zu Universitäten habe man Vertrauen schaffen können.

Vom Prozedere her läuft es dann so ab: hat man die passenden Fachkräfte gefunden, beginnt die Organisation. Da geht es nicht nur um Deutschkurse und darum, den komplizierten, teuren und langen Prozess zur Anerkennung der Ausbildung in Österreich (Nostrifizierung) in die Wege zu leiten. Es gilt den Neustart für die Neuankömmlinge gut zu gestalten. Schließlich lassen vielen Kinder zurück, das allein ist emotional sehr hart. Umso wichtiger die Fragen wie: Was an Integration wird angeboten? Und wie? Passt die erste Unterkunft?

Der internationale Wettbewerb um Pflegekräfte ist hart. Womit punktet Österreich? "Als sicheres Land. Das Gehaltsniveau ist gut, die sozialen Strukturen sind gut. Und: Schule und Ausbildung sind de facto gratis. Auch deshalb entscheiden sich einige für uns", sagt Missethon. Fachkräfte können Kinder unter 18 nachholen.

In den Salzburger Landeskliniken arbeiten derzeit acht Pflegekräfte aus Kolumbien, bei den Tirol Kliniken sind es sieben. Dort sollen es "in absehbarer Zeit um die 80 sein", sagt deren Sprecher Johannes Schwamberger. Angesichts der wegen Personalnot gesperrten Betten sei das nur "ein Tropfen auf den heißen Stein". Bisher habe man nur gute Erfahrungen gemacht, betont er. "Wir sind ein bissel stolz drauf, dass es so gut läuft und die Kolleginnen so gut aufgenommen wurden."

Ob Spital, Pflegeeinrichtung oder Agentur, ob im Osten oder Westen: Überall, wo die SN nachfragten, wurde versichert, eine ethische Vorgangsweise sei oberstes Prinzip; der Verantwortung, für eine gelingende Integration zu sorgen, sei man sich bewusst. Kooperiert werde nur mit jenen Ländern, die selbst keinen Pflegemangel hätten - aber viele junge Menschen, die nicht alle so beschäftigt werden könnten, wie es ihrer Ausbildung entspreche. Immer wiederholte sich die Klage über die enorme Bürokratie. Der Sprecher der Tirol Kliniken drückte es so aus: "Was man den Leuten, die bereit sind, ihr Land zu verlassen, um bei uns Kranke und Alte zu pflegen, administrativ aufbürdet, ist hart an der Schmerzgrenze."

Mittlerweile tut sich einiges bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Für sie ist Arbeitsminister Martin Kocher zuständig, der dieser Tage ankündigte, die Verfahren weiter vereinfachen und beschleunigen zu wollen. Was die Pflege betrifft, wurden im Zuge der Pflegereform Erleichterungen bei den Nostrifizierungen paktiert. Dafür sind Bildungsminister Martin Polaschek und der Gesundheitsminister zuständig. Am Freitag kündigten Polaschek und Kocher an, die Nostrifizierungen - startend mit den Gesundheits- und Krankenpflegeberufen - stark vereinfachen und verkürzen und dort, wo möglich, abschaffen zu wollen. Nach Ostern soll dazu ein "Nostrifizierungsgipfel" stattfinden.

Die Erleichterungen der jüngeren Vergangenheit zeigen bereits gewisse Wirkung. In den 13 Jahren seit ihrer Einführung wurden nicht ganz 3000 Rot-Weiß-Rot-Karten für Pflegefachkräfte ausgestellt - rund 600 oder jede fünfte davon 2023.

7372 offene Stellen im Gesundheits- und Sozialwesen sind derzeit beim AMS gemeldet.

SALZBURGER NACHRICHTEN, 23. März 2024 (c) SN/FONDS SOZIALES WIEN

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